BESONDERE ARTIKEL


14.09.17


In dem Punkt "ARTIKEL PDF"  stelle ich viele Dateien als PDF zum Download bereit.

In diesem Punkt stelle ich dagegen Artikel zum direkten Lesen hier auf der Website ein.


Noch mehr Artikel zum direkten Lesen schreibe ich in meinem Blog, auf der Website.

Daher will ich mich hier auf  einige wenige besondere, ausgewählte Artikel beschränken, die normalerweise auch länger sind als die Blog-Einträge.



Diese Artikel stelle ich - bis auf weiteres - einerseits hier fortlaufend ein, andererseits aber auch in separaten Unterdateien, wo sie natürlich einfacher aufzufinden sind.


Ab Artikel Nr. 5 stelle ich die Artikel nur noch in Unterdateien ein.


Die neuesten Artikel stehen jeweils oben, das heißt die als neueste eingestelten Artikel; es müssen nicht die sein, die ich als neueste geschrieben haben.


Wie beschrieben, kann man mit STR+ G (Firefox u. a.) oder STRG + F (Internet Explorer) direkt zu einem Artikel springen, in dem man seine Nummer eingibt, in Doppelklammer, also (x). x = 1, 2, 3 usw.

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Inhalt:

(9) Palestinian Lives Matter – too

(8) Probleme lösen - Zufrieden Leben (2023)

(7) Meine Integrale Logik - Bilanz nach 15 Jahren (2023)

(6) Der sogenannte Antisemitismus (2023)

(5) Corona - Eine PanHysterie (2020)

(4) Smartphones - oder das Ende der Achtsamkeit (2018)

(3) Wahl 2017 - Paradoxien des Wählens (2017)

(2) Dualismus (2016)

(1) Älter werden - Die Chance zur Selbst-Integration (2001)


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(5) Corona - Eine PanHysterie (15.03.2020)

 

„Ein Gespenst geht um in der Welt. Es ist das Gespenst Corona.“


Nein, ich bin kein Virologe, Epidemiologe oder Medizinstatistiker. Auch zu dem erlauchten Kreis der Gesundheitspolitiker oder besser „Krankheitspolitiker“ darf ich mich nicht zählen.


Dennoch wage ich – als Wissenschaftsautor und Blogger –, mich in die Corona-Diskussion einzubringen und dem Chor der, wie gleichgeschalteten, Corona-Warner zu widersprechen.


Was ist die Sachlage? Ein Virus reist um die Welt. Das ist zwar unerfreulich, aber der Normalfall. Unzählige Viren sind auf der ganzen Welt verbreitet.


Der Hauptkonkurrent, in den Medien, für den Corona-Virus sind die verschiedenen Grippe-Erreger, insbesondere die Influenza-A- und Influenza-B-Viren. Die Grippeviren suchen jedes Jahr die ganze Welt heim, wobei sie unterschiedlich pathogen, also unterschiedlich gefährlich sind.


Vor zwei Jahren kostete die Grippe in Deutschland etwa 25.000 Tote, mehrere Millionen Deutsche waren infiziert. Weltweit verursacht die Grippe in schlechten Jahren hunderttausende Tote, und viele Millionen Menschen sind infiziert.


Zwar wird jährlich vom Robert-Koch-Institut vor der Grippe gewarnt, es werden Verlautbarungen herausgegeben, aber kaum einer regt sich sonderlich auf. Man kennt die Grippe eben, man ist an sie gewohnt, die Todesopfer oder Erkrankungszahlen werden stillschweigend eingerechnet, und man führt sein übliches Leben weiter. Die Grippe ist gewissermaßen „total normal.“


Die sogenannte Schweinegrippe, die 2009-2010 zu einer Epidemie führte, führte in Deutschland zu 226.000 bestätigten Infizierten und 258 Todesfällen, weltweit zu 200.000 – 280.000. Wichtig ist: Wie bei Corona handelte es sich auch bei dem Schweingrippeerreger um ein neues Virus. Man nannte die Schweinegrippe daher auch „Neue Grippe“. Es gab zwar Besorgnis und Hygienemaßnahmen, aber in keinster Weise in dem gewaltigen Ausmaß wie jetzt bei Corona.


Bei Corana ist alles anders. Da wird jeder (getestete) Erkrankte und natürlich erst recht jeder Verstorbene genau erfasst, man hört in jeder Nachrichtensendung die neuesten Corona-Ergebnisse, es gibt Sondersendungen – alles ist Corona. Anders gesagt: Der Corona-Virus „geht viral“.


Ständig wird man belehrt, wie man zu niesen hat und wie lange man sich die Hände waschen soll. Das ist zwar sinnvoll, die Wirkung dennoch fraglich. Gestern im Supermarkt, die Verkäuferin hustet erst in ihre Hände und zieht dann meine Lebensmittel über den Scanner - „Gesundheit!“ kann man da nur sagen.


Sicher, gegen die Grippe kann man sich impfen lassen, gegen Corona bisher nicht. Aber auch die Grippeimpfung schützt nicht sicher vor einer Ansteckung. Und viel dramatischer: nur jeder zehnte Deutsche lässt sich gegen Grippe impfen – was für ein Leichtsinn! Doch darüber wird kaum berichtet, sondern Corona ist der aktuelle Hype.


Dabei verläuft Corona in über 80% der Fälle harmlos. Viele Infizierten merken nicht einmal, dass sie Corona haben. So gesehen ist Corona oft weniger unangenehm als eine banale Erkältung, denn jeder Schnupfen, jedes Halsweh kann einen schon richtig leiden lassen. Bisher sind auch fast nur sehr alte Menschen mit Vorerkrankungen an Corona gestorben. Bei Kindern z. B. gibt es fast nie einen schweren Coronaverlauf.


Stand 12.03. gibt es in Deutschland gerade mal 4.838 – nachgewiesene – Angesteckte – die Angaben sind uneinheitlich, was zeigt, dass es keine exakte Statistik gibt. Und es gibt bisher 12 Todesopfer durch Corona.


Dagegen hat im aktuellen Winter die, diesmal sehr mild verlaufene, Grippe schon (bis zum 06.03.) ca. 145.000 nachgewiesen Angesteckte (ca. 23.000 ins Krankenhaus eingewiesen) und 250 Tote in Deutschland auf dem Gewissen. Auch weltweit liegen die Coronazahlen gigantisch hinter den Grippezahlen zurück, obwohl es z. B. in China und Italien sehr viel mehr Opfer als in Deutschland gibt.


Ob die Todesrate bei 0,1 oder 0,7 Prozent (oder höher)  liegt, darüber streiten sich noch die Experten. Ein Problem ist, dass viele, eben harmlos verlaufende Corona-Infektionen gar nicht erfasst werden (Dunkelziffer), so dass man die Sterblichkeitsquote leicht viel zu hoch angibt. Genauer wird man das erst im Nachhinein sagen können, aber wirklich exakt wird man das nie bestimmen können, weil es unmöglich ist, bei jedem Todesfall zu beweisen, dass er durch den Corona-Virus verursacht wurde. Jedenfalls liegt die Sterblichkeitsquote durch Corona bisher unter der generellen Sterblichkeitsquote in Deutschland, die über 1% beträgt.


Dennoch werden, auch von der Bundesregierung, durch nichts bewiesene Horrormeldungen in die Welt gesetzt: man erwarte, dass etwa 70% oder 50 Millionen Bundesbürger sich mit Corona anstecken würden, es sei schlimmstenfalls mit 250.00 bis 300.000 Todesopfern zu rechnen. Solche Unheilprophezeiungen sind verantwortungslos. Dabei wird auch gar nicht berücksichtigt, dass man vielleicht doch wirkungsvolle Medikamente gegen Corona oder einen Impfstoff einsetzen kann, von einer schon heute möglichen Verbesserung der körpereigenen Immunabwehr gegen Corona gar nicht zu reden.


Und wie gesagt, bisher gibt es „nur“ 12 Todesopfer in Deutschland. Natürlich ist der Tod jedes Menschen traurig und möglichst zu verhindern, aber dass hochbetagte, altersgemäß häufig auch kranke Menschen sterben, ist statistischer Normalfall, auch ohne Corona. Ihre Todesrate ist einfach wesentlich höher als bei jungen und gesunden Menschen.


In Deutschland sterben im Jahr etwa 960.000 Menschen (2630 am Tag), aus den verschiedensten Ursachen. Gehen wir von den Zahlen des Statistischen Bundesamtes von 2017 aus (die für 2019 erhöht werden müssten): 932.272 (2554 pro Tag). Davon durch Herz-Kreislauferkrankungen 344500, durch Krebs 227.600, durch Atemwegserkrankungen 68.400. Noch einige Details: 18.396 Frauen starben durch Brustkrebs, 14.677 Menschen erlitten einen tödlichen Sturz, immerhin 9.235 Menschen begingen Suizid, 3.275 Menschen starben durch Verkehrsunfälle (2019), Dagegen ist die Zahl der durch Corona Verstorbenen minimal.


Es ist z. B. offensichtlich unglaublich viel  gefährlicher, an Krebs zu erkranken als an Corona (227.600 gegen bisher 12). Darüber wird derzeit aber kaum geredet. Die Medien tun so, als gäbe es nur Todesfälle durch Corona. „Alles Corona – oder was?“


„Und ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode.“ (Shakespeare) Die Staaten rüsten methodisch auf gegen Corona: Absperrungen immer größerer Bereiche – in Italien hat man das ganze Land abgesperrt. Zunächst wurden nur Großveranstaltungen (über 1000 Leute), jetzt wird fast jede größere Versammlung (über 50 Teilnehmer) untersagt oder „freiwillig“ abgesagt. Auch das Bildungswesen wird auf Sparflamme gesetzt, Unis, Schulen und Kindergärten, natürlich auch Museen werden dicht gemacht. Wann sind die Kirchen dran?


Am liebsten wäre es den Gesundheitspolitikern, jeder „Verdachts-Mensch“ säße alleine in seinem Kämmerchen und rührte sich nicht. Menschen werden – auch gegen ihren Willen – in Quarantäne gesteckt. Früher nannte man das „Einzelhaft“ oder „Isolationshaft“. Wann kommt die elektronische Fußfessel für Infizierte im häuslichen Arrest?


Seit neuestem gibt es Dr. Merkels Verordnung zur möglichen Vermeidung von sozialen Kontakten, bis in den Privatbereich. Auch die alte Mutter im Altersheim oder den kranken Vater in der Klinik soll oder darf man sogar nicht mehr besuchen. „Social Distancing“ heißt das neue Zauberwort, das den kontaktgestörten Menschen zum neuen Vorbild macht. Vielleicht wird in den Geschichtsbüchern einmal von Merkels „Autismus-Doktrin“ die Rede sein.


Paradox nur, dass die Bürger von Frau Merkel andererseits zur Solidarität im Nahbereich aufgefordert werden. Eine solche widersprüchliche Botschaft nennt man in der Psychologie „Double bind“. Double bind spielt übrigens eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Schizophrenie.


Wenn man überhaupt eine Isolierung von Menschen betreibt, so wäre es m. E. wichtiger, die gefährdeten (sehr) alten und/oder kranken Menschen zu isolieren, als dass man der ganzen Gesellschaft, auch den ungefährdeten Menschen, quasi ein Kontaktverbot auferlegt. Man müsste die gefährdeten Menschen nicht gleich in Quarantäne stecken, aber darauf hinwirken, dass sie sich so wenig wie möglich Ansteckungsrisiken aussetzen.


Der Vorteil ist da, dass in dieser Altersgruppe (ab 65, aber die extreme Gefährdung beginnt etwas erst mit 75-80 Jahren) kaum noch jemand arbeitet. Man müsste die Versorgung dieser Menschen sicherstellen, dass ihnen z.B. Essen geliefert wird. (Rentner müssten eben einmal zeitweilig darauf verzichten, ständig auf Reisen zu gehen.)


Stattdessen legt man lieber ungerührt die ganze Gesellschaft und damit auch  die Wirtschaft lahm, immer radikaler. Handelsketten werden unterbrochen, Arbeiter dürfen nicht in die Fabrik, weil es da 1 Erkrankten gibt. Großbetriebe, aber auch viele Mittelständler oder Kleinbetriebe sind betroffen; z. B. gehen immer weniger Menschen in Kinos, Konzerte, Cafés oder Restaurants, wenn sie nicht überhaupt geschlossen sind. Die Touristik bricht fast zusammen.


Natürlich crasht auch die Börse, die in den letzten Jahren sonst jede Krise weggelächelt hat. Das alles bedeutet einen immensen, individuellen und kollektiven wirtschaftlichen Schaden, womöglich eine weltweite Rezession, die uns noch Jahre belasten wird. Es ist so, wie wenn man aus Angst vor dem Tod Suizid begeht. Muss denn erst ganz Deutschland Insolvenz anmelden, ehe man den Corona-Wahnsinn stoppt?


Und was die Politiker und Medien vormachen, das machen die Bürger nach. Hamsterkäufe in einem Ausmaß, wie es sie zuletzt im Weltkrieg gab. Dabei kaufen die Deutschen vor allem hektisch Desinfektionsmittel, Nudeln – und Toilettenpapier. Ob die deutschen Hamsterer da etwas falsch verstanden haben? Denn Corona ist kein Magen-Darm-Virus, sondern eben eine Art Erkältungs-Virus, auch wenn oft übertreibend von einer Lungenerkrankung gesprochen wird. Denn nur in relativ seltenen Fällen (genaue Zahlen gibt es m.W. nicht) tritt eine bedrohliche Lungenentzündung auf.


Das Problem ist: Viele Bürger sind voller Angst und verhalten sich irrational. Dadurch, dass die Politik so drastische Maßnahmen ergreift, fühlen sich die Bürger in ihrer Angst bestätigt. „Wenn die Politik ohne Rücksicht auf Verluste ganz Deutschland innen und außen abriegelt, dann muss der Virus ja wirklich extrem gefährlich sein.“ Und sie haben noch mehr Angst.


Die ganze Welt erinnert mittlerweile fast an eine Weltuntergangs-Sekte. Typisch dafür ist auch, dass die besonnenen Politiker, die nicht bereit sind, sofort in den „totalen Krieg“ gegen Corona zu ziehen, - mit moralisierender Besserwisserei - als zögerlich und zaudernd kritisiert werden. Die Corona-Jäger sind so in Rage bei ihrem Kampf gegen Corona, dass sie gar nicht mehr hinterfragen, ob der Kampf wirklich sinnvoll und notwendig ist.


Unsere bürgerlichen Freiheitsrechte, auf Selbstbestimmung des Aufenthaltsortes, auf freies Reisen, auf Teilhabe an Bildungsangeboten, auf Erziehung und Unterricht für Kinder, auf freie Arztwahl u.v.m. werden immer weiter eingeschränkt. „Darf es noch etwas weniger Freiheit sein?“ Die Frage ist, wann die Rechte so weit eingeengt werden wie in einer Diktatur.


Der „ganz normale Wahnsinn“, ein Sog des Irrationalen, dem man sich schwer entziehen kann. Überall wird einem die Gefährlichkeit von Corona einsuggeriert, ja eingehämmert, so dass auch ein rationaler Zeitgenosse bald daran glaubt, obwohl er eigentlich weiß, dass es maßlos übertrieben wird.


Trotzdem verwundert es, dass sich kaum eine kritische Stimme erhebt gegen diesen globalen „Coronismus“, diese Corona-Paranoia mit der Folge einer (jedenfalls längerfristigen) Zerstörung unserer normalen Lebensverhältnisse, unserer Form zu leben und zu wirtschaften, eine Zerstörung, die weit radikaler ist als bei einem großen Terroranschlag, bei dem alle Politiker immer betonen, wir lassen uns unser Leben nicht „wegnehmen“.


Es ist einfach eine Hysterie, eine weltweite „PanHysterie“.


Und diese Corona-Hysterie, Corona-Angst, dieser Corona-Stress schwächt unsere Immunabwehr und macht uns gerade anfälliger auch für eine Corona-Infektion. So gesehen ist der panische Kampf gegen Corona absurderweise gerade ein Faktor, der die Corona-Ausbreitung fördert.


Natürlich weiß niemand genau, wie das mit Corona weitergeht und endet. Man kann versuchen, die Corona-Entwicklung wissenschaftlich abzuschätzen. Allerdings fließen m.E. derzeit zu viel Irrationalität und bloße Vermutungen in die Analyse der Wissenschaftler ein. Ich habe dagegen versucht, meine Argumentation rational zu halten. Aber natürlich kann auch ich die Situation falsch einschätzen. Niemand kann sicher (vorher)sagen, wie die Zukunft von Corona und unsere Zukunft mit Corona aussehen. „Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“


Aber warum soll man ohne gute Gründe das Schlimmste annehmen? Warum gibt es so wenig geistige Resistenz gegen das „Diktat des Virus“ und seine Hohepriester, die Virologen? Warum das alles?


Die Ursachen sind sicher komplex, man kann auch von einer multikausalen Situation sprechen.


- Da gibt es die Politiker, die es wirklich gut meinen und die ihnen anvertrauten Menschen schützen wollen.

- Und da sind die Politiker, die für sich auf Nummer sicher gehen wollen, aus Angst, dass man ihnen sonst später Vorwürfe macht bzw. sie nicht wählt.

- Es gibt allerdings auch Politiker, die Corona nutzen, um sich zu profilieren., als Macher, als Krisenmanager, als „Kümmerer“.

- Das betrifft auch Wissenschaftler, die sonst unbeachtet in ihrem Labor sitzen, jetzt der Versuchung unterliegen, mit Hiobsbotschaften Medienstar zu werden.

- Es ist die Mediengesellschaft, die eben immer einen neuen Hype braucht und den erbarmungslos und hemmungslos auswalzt, koste es, was es wolle.

- Da sind Verschwörungstheoretiker und Untergangspropheten im Internet, die aus Verwirrung oder Geltungssucht die Panik vor Corona schüren.

- Es gibt auch eine destruktive „Lust am Untergang“, eine Koketterie mit der ultimativen Katastrophe, die aber schnell erlöscht, wenn es wirklich Ernst wird.


- Die wichtigste Ursache ist aber meines Erachtens: Corona ruft uralte, archaische Ängste wach, Angst vor Pest und Cholera, vor den alten Seuchen, dem „schwarzen Tod“. Wesentlich ist dabei, dass es sich bei Corona um einen neuen Virus handelt, eine unbekannte Gefahr. Da brechen alle Dämme der Rationalität weg und die Urangst bricht sich Bahn. Und es zeigt sich mal wieder, wie dünn doch die Decke von Verstand und Vernunft über unseren irrationalen Emotionen ist.


Und hier möchte ich zum Schluss ein kurzes Plädoyer halten, für mehr Vernunft und Maß im Umgang mit Corona. Die Ängste der Menschen sind ernst zu nehmen, vor allem die der wirklich Gefährdeten. Und man soll die alten und kranken Menschen so gut wie möglich vor Corona schützen.


Aber es ist unverantwortlich, wenn sich Politiker an der allgemeinen Panikmache beteiligen und das ganze Land und die Wirtschaft lahmlegen. Wo bleibt da die realistische Gelassenheit? Wo Augenmaß und Mitte?


Es ist doch ohnehin eine Illusion, dass wir uns gegen alle Gefahren des Lebens sicher schützen könnten. Das Leben an sich ist lebensgefährlich. Und viele Menschen gehen ja – bewusst oder unterbewusst – Risiken ein, weil sie gar keine totale Sicherheit anstreben oder einfach leichtsinnig sind. Die allermeisten Deutschen - 90% - gehen wie gesagt auch nicht zur Grippe-Impfung.


In China, der „Mutter aller Corona-Viren“, sind die Corona-Ansteckungen rückläufig. Interessanterweise wird seitdem kaum mehr über Corona in China berichtet, obwohl es sonst täglich ganz oben bei den Meldungen stand; denn diese Entwarnung gefällt der Erregungs- und Aufregungsgesellschaft gar nicht. Und das ist generell meine Hoffnung, dass Corona irgendwann langweilig wird und man sich einen neuen Hype sucht; und wenn der „Medien-Virus“ verabschiedet ist, dann wird auch der reale Corona-Virus bald seine Rolle als Monster-Virus  verlieren, er wird entzaubert sein.


Es wird immer von Politikern gesagt, wir müssten die Corona-Verbreitung unbedingt verlangsamen. Um den Infektionszeitraum gewissermaßen zu strecken, damit die Klinikkapazitäten nicht überlastet werden. Ja, hätte man mal nicht so viele Kliniken geschlossen oder privatisiert, dann drohte jetzt kein Engpass (wenn der denn wirklich droht).


Aber dennoch, ist diese geplante zeitliche Dehnung der Infektionen wirklich sinnvoll? In der Zeit könnte der Virus auch mutieren und viel gefährlicher werden.  Ich erlaube mir einen ironischen, ketzerischen Vorschlag: Machen wir „Corona-Partys“, bei denen sich – junge und gesunde – Menschen möglichst schnell anstecken und somit auch schnell wieder gesund werden. Dann ist der ganze Corona-Spuk umso schneller auch wieder vorbei.


Jedenfalls sollten wir nicht unser Leben immer weiter lahmlegen, die negativen Folgen dieser „Corona-Politik“ würden viel schlimmer sein als der Corona-Virus selbst.


Wenn schon die ganze Welt verrückt spielt, wenn die Menschen weltweit zu Hypochondern geworden sind, vielleicht, hoffentlich können wir Deutschen einmal Vorreiter der Vernunft sein. Wir sollten unsere Corona-Hysterie und Corona-Phobie runterfahren, wenn möglich beenden, und eine Botschaft der Besonnenheit und Zuversicht in die Welt senden.



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(4) Smartphones – oder das Ende der Achtsamkeit

12.12.2018

 

(Der folgende Text ist in abgewandelter Form schon bei den Satiren veröffentlicht, wurde hier aber speziell auf das Thema "Achtsamkeit" fokussiert.)


Ich will nicht behaupten, dass die Mehrzahl der Menschen in früheren Zeiten die Kunst der Achtsamkeit pflegten, bewusst und aufmerksam durch ihr Leben ging. Aber mit dem Aufkommen der Smartphones hat die Achtsamkeit erheblich an Boden verloren. Viele Menschen leben wie in Trance – oder sagen wir es direkter – wie im Tran, weil sie ständig in irgendwelche Smartphone-Aktivitäten versunken sind. Pointiert: Das Smartphone ist das Gegenteil von Achtsamkeit.

 

René Descartes schrieb: „Ich denke, also bin ich.“ Lange ist’s her. Heute, bei den Smartphone-Jüngern und -Jüngerinnen heißt es: „Ich wische, also bin ich.“ Das gilt in erster Linie für die Jugendlichen, aber auch viele Erwachsene sind von dem Wisch-Virus infiziert. Über viele Stunden am Tag beschäftigen sich Intensivnutzer mit dem „smarten Telefon“, schauen bzw. lesen, tippen, sprechen, lauschen, senden bzw. empfangen, aber vor allem wischen sie eben auf dem Display herum. Ohne richtig zu merken, was sie tun. “Nicht ohne mein Smartphone”, lautet das Motto. Denn das Smartphone ist immer dabei, in der Nacht liegt es neben dem Bett; für manchen ist es vertrauter und näher als der eigene Partner, kann sogar ein Partnerersatz sein. Und es ist unverzeihbar, wenn der Partner in ihrem Smartphone „schnüffelt“.

 

Die Smartphone-Liebhaber/innen sind im Dauerstress, ständig im Zeitdruck: denn sie haben Angst, etwas zu verpassen, vom Datenstrom abgeschnitten zu sein. Sie liegen auf der Lauer, ob es einen neuen Post von einem ihrer vielen „Freunde“ gibt. Den Post  müssen sie schnellstmöglich lesen (das kann der Absender bei Whatsapp kontrollieren), und sie müssen ihn schnellstmöglich „liken“, damit der Freund nicht beleidigt ist. Andererseits warten sie aufgeregt darauf, dass ihre Postings gelesen und geliket werden. Ruhe, Muße, Entspannung gibt es für sie nicht. Das Smartphone ist ihr Befehlshaber, der sie zwingt, ständig „on“ zu sein, denn wer „off“ ist, der ist fast schon tot.

 

Natürlich gibt es auch viele Menschen, die ihr Smartphone oder Handy mit Sinn und Verstand, also mit Maß verwenden, sich z. B. am Bahnhof mit einer App über die Zugverspätung informieren, den Adac bei einer Panne kontaktieren oder mit Freunden telefonieren. Aber immer mehr Menschen nutzen ihr Smartphone exzessiv, der Übergang zur Sucht ist fließend. Und während früher die Technik weitgehend Domäne der Männer war, bei dem technischen Gerät „Smartphone“ sind die (jungen) Frauen mindestens gleichberechtigt, vielleicht führend.

 

Wenn die Smartphone-Abhängigen einmal in eine Zeugenhaltung gehen würden, also ihr eigenes „Smartphonen“ achtsam und unparteiisch wahrnehmen würden, dann würden sie – vielleicht – die Sinnlosigkeit, die Zwanghaftigkeit und Besessenheit ihres Treibens erkennen und einen Weg zur Umkehr finden. Aber dazu kommen sie eben gar nicht.

 

Hast du mal ‘ne App für mich? Einige Apps machen Sinn, aber meistens sind Apps der Inbegriff der geistigen Unmündigkeit, für Leute, die für alles eine Anleitung brauchen: für die Parkplatzsuche, für das Braten eines Speigeleis, für die Auswahl, was sie lesen sollen, für das Wetter in ihrem Wohnviertel – dafür könnten Sie genauso gut einmal aus dem Fenster gucken. Demnächst wird es bestimmt auch Apps geben, die erklären, wie man unter die Dusche geht  und sich die Haare wäscht (oder gibt es das schon?).

 

Die meisten Apps sind kostenlos oder billig, aber das ist oft damit erkauft, dass man gnadenlos ausspioniert wird. Manche Apps sind allerdings auch mit teuren Abos verbunden, aber das stellt man natürlich erst fest, wenn die erste Rechnung fällig ist. Der Gipfel ist die App, die mir sagt, wie abhängig ich von meinem Smartphone bin. Ich bewundere den Zynismus und Geschäftssinn der Erfinder dieser App.

Aufklärung? Kant – bediene dich deines eignen Verstandes? Vergiss es! Den eigenen Verstand ersetzt doch heute die App, wozu noch selbst denken?

 

Warum hängen vor allem die jungen Leute an dem Smartphone wie der Junkie an der Spritze? Diese Smartphone-Süchtigen sind Narzissten. Sie finden sich selbst unheimlich wichtig, daher posten sie mit dem Smartphone ständig Selfies – ich vor einer Sehenswürdigkeit, ich neben einem Prominenten –,  aber sie blasen auch ständig Bilder aus ihrem Alltagsleben in den Äther, hier mein Mittagessen, hier mein Kaffee, hier mein Kuchen – Bilder, die die Welt nicht braucht.

 

Anders aber als der klassische Narziss, der sich in sein Spiegelbild verliebte und sich an sich selbst erfreute, sind die Smartphone-Narzissten außerordentlich bedürftig, ohne Anerkennung, ohne „Likes“ sind sie nichts.  Sie müssen ständig Bestätigung ihrer Facebook-„Freunde“, ihrer Twitter-Follower und ihrer Peergroups erhalten, sonst fühlen sie sich erbärmlich, sonst bricht die Fassade der Selbstbewusstheit zusammen. Es sind kollektivistische Individualisten oder individualistische Kollektivisten. Sie wollen einerseits unbedingt dazugehören (wozu auch immer), andererseits wollen sie aber auch aus der Masse hervorragen, die anderen überragen – ein unlösbarer Konflikt.

 

Für den meist Ich-schwachen Dauernutzer ist das Smartphone – mit seinen gespeicherte Informationen und vielfältigen Verknüpfungen – eine Ergänzung seines Ichs, eine Ich-Prothese, ja schon mehr ein Teil seines Ichs und zwar der dominante. Der Nutzer ist eigentlich nur noch die Schnittstelle der vielfältigen sozialen Netzwerke bzw. der Datenströme, die von und zu seinem Smartphone fließen. Ohne sein Smartphone würde er nicht funktionieren.  Da er immer weniger den direkten Kontakt zur Realität sucht, ist das Smartphone sein Tor zur Welt. Pointiert gesagt: indem er auf dem Smartphone wischt und sich so in die virtuelle Welt einlinkt, erschafft er erst sein Ich oder stabilisiert es wenigstens.

 

Es gibt aber auch ein Risiko mit den Dauer-Posts und Ego-Trips. Plötzlich kann die Netzgemeinde genervt reagieren, und dann ist sie gnadenlos in ihrem Mobbing.

Und das kann für zustimmungssüchtige Smartphone-Dauerposter zur Existenzkrise werden.  Wenn  sie mit ihren ständigen Posts nerven und immer mehr böse Kommentare kriegen, droht ihre Welt zusammenzubrechen. Sie können dann in eine Depression fallen, sind sogar suizidgefährdet. Allerdings, so schnell bringt sich ein Smartie dann doch nicht um. Denn der Tod als Vernichtung des eigenen Selbst ist für den Smartie die ultimative Kränkung, außerdem, dann hätte er Sendepause, und das geht gar nicht.

 

Einer der Gründe für den Smartphone Exzess ist also dieser Dauerkontakt: sich ständig verbreiten und ständig erreichbar sein. Der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Marshall McLuhan sagte vor vielen Jahren über das Radio, „Das Medium ist die Botschaft“, und das gilt auch für das Smartphone. Es ist kaum von Bedeutung, was man sendet oder postet, oft genug sind das langweilige Trivialitäten oder öde Bilder, wichtig ist nur, dass man postet.

 

Das könnte den Eindruck erwecken, der ständige Kontakt, dieser Kreislauf der Botschaften, habe etwas mit Lebendigkeit zu tun. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es ist eine Abwehr von Leben und Lebendigkeit, von echtem Erleben, von realen Kontakten. Teenager sitzen im Cafe nebeneinander, und jeder guckt auf sein Smartphone. Oder sie schicken sich WhatsApp-Botschaften, anstatt direkt miteinander zu reden. Es ist ein groteskes Vermeiden von Nähe, von Intimität, ein Leben aus zweiter, elektronischer Hand. Man könnte von einer Infantilisierung der Gesellschaft sprechen, weil der ständige Drang zu spielen ein Ausweichen vor dem „Ernst des Lebens“ bedeutet.

 

Ein Weiser antwortete mal auf die Frage „Wer ist der wichtigste Mensch in deinem Leben?“: „der Mensch, der mir in diesem Augenblick gegenübersitzt.“ Er wollte damit natürlich auf die Wichtigkeit des Lebens im Hier-und-Jetzt hinweisen, wirklich leben tut man immer nur im jetzigen Augenblick. Für einen „Smartphonie“ ist der Mensch, der ihm gerade übersitzt, der unwichtigste Mensch auf der Welt. Viel wichtiger sind die „Freunde“ an der Strippe, die abstrakten Personen hinter irgendwelchen SMS, die er gerade erhält, oder die die gänzlichen ungreifbaren Profile aus den sozialen Netzwerken einer Cyberworld.

 

Hinter dieser Ignorierung, ja Verachtung der unmittelbaren Wirklichkeit  steht wohl die Abwehr alles Bedrohlichen: Einsamkeit, Kränkungen, Niederlagen, Alter, Krankheit und letztlich der Tod. Durch das ständige Gequassel wird der Fluss des Lebens übertönt, er wird unhörbar. Die Tiefendimensionen, die Leidensdimensionen des Lebens werden ausgegrenzt, man wischt wie idiotisch auf seinem Ding herum, wischt damit quasi alles Wichtige, Authentische, Existentielle weg.

 

Wenn der Smartphone-Mensch nur einmal innehalten würde, sich einmal bewusst und wach dieses hektische Treiben, diesen Aktivismus anschauen würde, könnte er vielleicht den Kreislauf der Nichtigkeiten, der Trivialitäten erkennen und daraus aussteigen. Aber nichts fürchten und hassen die Smartphone-Jünger bzw. -Jüngerinnen mehr als Stillstand, als Ruhe, Stille, Leere; denn dann könnte die verdrängte Angst über sie hereinbrechen, ihre Abwehrfassade als smarte, beliebte, ständig kontaktierte „Netzperson“ hinwegschwemmen und sie in eine tiefe existentielle Krise stürzen.

 

Bestimmt habe ich das Thema übertrieben und überspitzt, um es auf den Punkt zu bringen. Aber ich finde es traurig, ärgerlich, auch besorgniserregend, wie Smartphones unser Leben entfremden, verflachen und entwerten.

Sicher ist es ein berechtigtes Bedürfnis, sich kommunikativ auszudrücken, auszutauschen und Anerkennung zu erhalten. Natürlich kann das Smartphone auch ein paar nützliche Dinge, wenn es mit Verstand und Maß anwendet wird – geschenkt.

Darum geht es hier nicht. Ich bin auch kein Technikfeind oder Maschinenstürmer, ich weiß moderne Technologien zu nutzen, aber ich verwende sie mit Sinn und Selektion, versuche das jedenfalls.

 

Natürlich gilt das auch für viele andere, „normale“ Nutzer des Smartphones, aber es gibt eben noch mehr, die ihr Smartphone exzessiv gebrauchen bzw. missbrauchen. Und denen würde man dringend mehr Achtsamkeit und Bewusstheit wünschen, sie sollten es dringend einmal mit Meditation versuchen – von mir aus können sie als Mantra ja das Wort „Smartphone“ nehmen.

 

Abschließend ein Vorschlag für eine Smartphone-Achtsamkeitsübung: Man setze sich vor sein Smartphone, aber wenn es anfängt zu klingeln oder zu blinken, lässt man es liegen und beobachtet stattdessen, welche Gefühle, Wünsche oder Gedanken aufkommen. Wahrscheinlich fühlt mancher einen Drang, fast schon einen Zwang, hektisch das Smartphone zu ergreifen und zu sehen oder zu hören, was es Neues gibt. Wenn man diesem Impuls nicht nachgibt, sondern in dem achtsamen Nicht-Tun bleibt, ist schon der erste Schritt zur Smartphone-Entwöhnung getan.

 


 

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(3) Wahl 2017 - Paradoxien des Wählens  (14.09.17)


Den nachfolgenden Text sollte ich eigentlich besser nicht veröffentlichen! Jedenfalls lesen Sie ihn auf eigene Gefahr.

 

Die Bundestagswahl 2017 steht bevor.

Und man fragt sich, was man wählt.

Natürlich kann man sich auch fragen, ob man überhaupt wählen soll.

 

Wie viele Wahlberechtigte gibt es in Deutschland? Es sind ca. 61,95 Millionen (Stand bei der Bundestagswahl 2013), sagen wir der Einfachheit halber 62 Millionen – der genaue Wert ist für meine Betrachtung auch belanglos.

 

Die eigene Stimme hat also einen Einfluss auf die Wahlentscheidung von ca. 1/62 Millionen, in Zahlen 1/62.000.000, d. h. die Bedeutung der eigenen Stimme geht gegen 0.

 

Es wären theoretisch extrem unwahrscheinliche Verhältnisse denkbar, in denen eine einzige Stimme den Ausschlag geben könnte, welche Partei gewinnt oder ob eine Partei die 5%-Hürde schafft oder nicht. Aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist praktisch 0, und m.W. sind, jedenfalls in Deutschland, noch nie solche Wahlverhältnisse aufgetreten.

 

Also kann man gut zu der Erkenntnis kommen, dass man sich die Teilnahme an der Wahl sparen kann.

 

Und zwar ist das keineswegs eine unqualifizierte Auffassung, sondern eine sehr rationale bzw. vernünftige. Der rationale Mensch ist dadurch bestimmt, dass er den Aufwand und den Nutzen einer Handlung abgleicht.

Zur Wahl zu gehen, ist doch ein gewisser Aufwand an Zeit, vielleicht auch Fahrtkosten, entsprechendes gilt für die Briefwahl; ein Nutzen dieses Wahlganges ist nicht gegeben, weil eben die eigene Stimme keinen Einfluss hat.

Ein rationaler Mensch unternimmt aber normalerweise keine Handlung, die ihm nur Aufwand, aber keinen Nutzen beschert.

 

Pointiert könnte man umgekehrt sagen, dass wer zur Wahl geht, ein Irrationalist, ja ein Größenwahnsinniger ist, der seine eigene Bedeutung für das Wahlergebnis absurd überschätzt. Es ist rührend, aber naiv, wenn Leute lange überlegen, wie sie ihre Stimme strategisch einsetzen können. Z. B. mag einer argumentieren: „Ich bin eigentlich für die CDU, wähle aber die FDP, damit die über die 5%-Hürde kommt und die zusammen eine Koalition bilden können.“ Das ist hoffnungslos irrational: Der Stratege kann die FDF wählen oder – gerade im Gegenteil –  die Linke oder eben gar nicht, das ist für den Ausgang der Wahl völlig egal.

 

Und ein Wähler kann seine Wahlentscheidung nach beliebigen Kriterien ausrichten: ob ihm die Haarfarbe des Politikers gefällt, ob der den gleichen Vornamen wie er selbst hat, ob der gut in eine Comedyserie passen würde, ob sein Auftritt im Fernsehen ihn beim Abendessen stört usw. Statistisch ist es bedeutungslos, wen ich wähle, aus welchen Gründen oder ob ich eben gar nicht wähle.

 

Allerdings: die meisten von uns sind so sozialisiert worden, dass es eine staatsbürgerliche Pflicht ist sich an einer politischen Wahl zu beteiligen.  Man kann also zur Wahl gehen, um das Gefühl zu haben, das Richtige zu tun, Teil einer Gemeinschaft zu sein, seinen Beitrag zu leisten, seine Meinung kundzutun. Der Nutzen wäre dann z. B. das gute Gewissen, aber das ist natürlich keine im eigentlichen Sinn rationale Begründung.

 

Das Problem ist: Was ist, wenn viele oder sogar alle Wahlberechtigte den Sin des Wählens bezweifeln?! Wenn viele oder alle nicht wählen?!

 

Bei der letzten Bundestagswahl lag die Wahlbeteiligung (der Wahlberechtigten) bei 71,5%. Das ist zwar nicht überragend, man spricht da auch schon von „Wahlmüdigkeit“, aber es bedeutet doch eine deutliche Mehrheit, zwischen 2/3 und 3/4.

 

Was wäre aber, wenn keiner wählen würde? Dann gäbe es gar keine Wahl, damit wäre ein Grundpfeiler der Demokratie weggebrochen.

Und wenn die Wahlbeteiligung ganz gering wäre, z. B. bei 0,5%, dann würde eine winzige Minderheit die Wahl entscheiden, das wäre auch sehr undemokratisch.

 

Paradoxerweise könnte unser rationaler Mensch dann mit gutem Grund wählen. Nehmen wir den natürlich völlig irrealen Fall an, dass nur unser Mensch wählt, dann würde er die Wahl alleine bestimmen. So gesehen wäre es höchst rational für ihn zu wählen, denn er hätte maximalen Einfluss.

 

D. h., was für den einzelnen Menschen rational ist, nämlich nicht zu wählen, ist für eine Menge von Menschen höchst irrational und destruktiv, sie zerstören damit ihre Demokratie.

Was für einen einzelnen Staatsbürger durchaus demokratisch vertretbar ist, wird undemokratisch, wenn es die Gesamtheit der Staatsbürger macht.

Auch das ist eine Paradoxie: Wie kann eine Entscheidung für ein Individuum rational sein, dagegen für viele Individuen zusammen irrational?

 

Wie lässt sich diese Paradoxie aufzulösen, wenn auch nicht unbedingt theoretisch, so wenigstens praktisch? Wir müssen fragen: Was folgt daraus für einen rationalen Menschen bzw. für einen guten Staatsbürger?

 

Er muss andere Menschen auffordern, unbedingt wählen zu gehen. Ob er selbst wählt, ist dabei belanglos. Wenn er mehrere Menschen zur Wählen veranlasst, selbst aber nicht wählt, dann ist er ein besserer Demokrat als jemand, der zwar selbst wählt, aber nicht andere zum Wählen motiviert.

 

Im Extrem: Wenn jemand in der Öffentlichkeit vor großem Publikum oder als Influencer Werbung für das Wählen macht, dann ist er ein vorbildlicher Demokrat, unabhängig davon, ob er selbst wählt.

Er darf natürlich nicht verraten, dass er selbst nicht wählt, sonst würde man ihn beschimpfen als Lügner, Betrüger, Heuchler und vielleicht gerade aus Protest nicht wählen.

Denn die wenigsten Menschen besitzen vermutlich die Rationalität und Objektivität, die Richtigkeit der obigen Aussagen zu begreifen.

 

Natürlich dürfte ich eigentlich diese Paradoxien der Wahl nicht aufdecken. Denn ich könnte viele Menschen dazu verführen, nicht selbst zu wählen, was dann die demokratische Wahl in Frage stellen könnte.

 

Gottseidank leide ich aber nicht unter einer solchen hybriden Selbstüberschätzung. Ich bin überzeugt: nur wenige Menschen werden meinen Text lesen, nur wenige von diesen werden die Überlegungen nachvolluiehen , noch weniger werden mit meinen Schlussfolgerungen übereinstimmen und noch weniger werden sich dadurch abhalten lassen, zur Wahl zu gehen.

Also kann ich diesen Text mit gutem Gewissen veröffentlichen und mich dennoch als guter Bürger fühlen.

 

Ob ich selbst zur Bundestagswahl 2017 gehen werde? Das verrate ich nicht. Aber ich fordere Sie alle dringend auf: „Gehen Sie zur Wahl!“

 

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(2) DUALISMUS (2016 / 2011)

 

1) Dualismus und Polarität

2) Dualismus von Materie und Geist (= Ideen)

3)  Dualismus von Materie und Geist (= Bewusstsein)

4)  Übergang zwischen Materie und Geist

5)  Dualismus und Monismus

 

 

1) Dualismus und Polarität

 

Eine wichtige philosophische Lehre ist der Dualismus. Es geht dabei um eine Zweiheit oder Dualität.

   Sein Hauptkonkurrent ist der Monismus, die Theorie, dass alles auf eine Einheit zurückgeht bzw. das gilt: „Alles ist eins.“

   Der Häufig spricht man anstatt von Dualität auch von Polarität. Polarität ist eine besondere Zweiheit, bei der ein klarer Gegensatz zwischen zwei (oder auch mehreren) Entitäten, den Polen besteht, die sich aber zu einer Ganzheit er-gänzen. Allerdings lassen sich Dualität und Polarität nicht eindeutig abgrenzen. Dennoch würde man z. B. Gott-Vater und Gott-Sohn eher als Dualität sehen, Gott und Teufel dagegen als Polarität.

  Weitere Beispiele für Dualität / Polarität sind z. B.: Yin und Yang, Welle und Teilchen,  Plus-Pol und Minus-Pol, Gefühl und Verstand usw.

   Uns interessiert hier aber vor allem ein Dualismus innerhalb der 5 Welten der Integralen Philosophie, also Form, Materie, Geist, Bewusstsein, Sprache.

Es geht also konkret um eine Rückführung der genannten 5 Welten auf 2 Welten.

   Die am häufigsten genannten 2 Dimensionen eines Dualismus sind vermutlich  Materie und Geist.

   Daher will ich das Verhältnis von Materie und Geist, exemplarisch für den Dualismus, genauer untersuchen.

  Dabei gibt es allerdings mindestens zwei Bedeutungen von „Geist“ zu unterscheiden:

· Geist = Ideen (mentale Urbilder im Sinne Platons)

· Geist = Bewusstsein (Psyche oder Seele), welches quasi die Materie beseelt

Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Konzepten ist z. B., dass die Ideen als zeitlos-unveränderlich angesehen werden, wogegen das Bewusstsein in der Zeit verläuft, wenn auch die Unsterblichkeit der Seele diskutiert wird.

 

 

2) Dualismus von Materie und Geist ( = Ideen)

 

In der traditionellen Philosophie, aber auch in der Esoterik gibt es die Unterscheidung zwischen zwei qualitativ verschiedenen Wirklichkeiten: die materielle Welt und die „andere“ Welt, die geistige  Welt. Man orientiert sich dabei vor allem am Platonismus, einer Form des Idealismus. Nach ihm ist die eigentliche Realität das Reich der Ideen, das sind zeitlose geistige Urbilder oder Urbegriffe, wogegen unsere Erfahrungswirklichkeit nur eine Schattenwelt bedeutet.

   Dem Idealisten gilt die geistige Welt auch als ideelle oder ideale Welt. Vor allem in der Esoterik bewertet man diese Geist-Welt als hochstehend und edel, die Stoff-Welt dagegen häufig als niedrig, manchmal sogar als sündig und böse – die Materie gilt dann als der gefallene Geist (dazu kommen wir genauer im Kapitel 3 über das Bewusstsein).

   Auf den Platonismus und seine Kritik werde ich später noch ausführlich eingehen. Nur ein Problem sei hier schon einmal angesprochen: Sind die „Ideen“ wirklich unveränderlich? Z. B. die Idee des Menschen: Der Mensch hat sich doch vom Urmenschen in verschieden Entwicklungsstufen bis heute zum „Homo sapiens“ entscheidend verändert, wie kann ihm durch alle Zeiten stets die gleiche Idee entsprechen?

   Vor allem nach idealistischer Sicht unterscheiden sich das geistige und das materielle Sein insbesondere durch folgende Gegensätze:

 

Geistige Welt                      Materielle Welt

 

Einheit                                  Vielheit

„Ding an sich Wesen            Erscheinung

Wesen / Sein / Essenz         Schein

Zeitlosigkeit                          Zeitlichkeit

Ewigkeit                                Vergänglichkeit

Konstanz                              Veränderung

Ruhe                                     Bewegung

Unräumlichkeit                      Räumlichkeit

Ursache                                Wirkung

Zweck                                    Mittel

Notwendigkeit                        Zufälligkeit

Absolutheit                             Relativität     

 

 

Eine Unter-Kontroverse der Kontroverse zwischen Geist und Materie ist die zwischen Statik (Geist) und Dynamik (Materie) bzw. zwischen „Statikern“ und „Dynamikern“.

 

·  Die Statiker

Für sie steht fest: In der geistigen Welt herrscht Ruhe und Ordnung. Da verändert und bewegt sich nichts. Alles ist ewig bzw. zeitlos. Entstehen und Vergehen gibt es nur in der materiellen Welt, aber da diese letztlich eine Scheinwelt ist, sind Veränderungen nur eine Illusion bzw. Zeit ist eine Illusion. Zur Begründung werden einerseits alte Meister, z. B. aus dem Hinduismus (herbei)zitiert, welche die Unvergänglichkeit der Geist-Welt lehren. Man beruft sich aber auch auf Einsteins Relativitätstheorie, danach besitzt die Zeit ja nur Gültigkeit in Relation zu einem Bezugssystem, sie wird relativiert, und von daher relativiert sich auch der Unterschied zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die dynamisch-materielle Welt wird zwar nicht unbedingt als illusionär erklärt, aber sie ist jedenfalls sekundär, metaphorisch so wie die Wolken gegenüber dem Himmel.

 

· Die Dynamiker

Ihr Stammvater ist der griechische Philosoph Heraklit,  der mit seinem Satz „Alles fließt“ eine der bis heute einflussreichsten Headlines des Altertums formulierte: Es gibt nichts Beständiges, keine Ruhe, alles ist im Fluss, in Bewegung. Man kann nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen. Aus dieser Sicht ist also gerade umgekehrt das beharrende, statische Sein nur Schein, bzw. als Abstraktion, bei der man einfach von der realen Bewegung absieht. Sogar unser Ich - als überdauernder Persönlichkeitskern - wird als Illusion betrachtet.

 

Welche Sicht ist überlegen oder richtig, die statische oder die dynamische?

Eine eindeutige Antwort lässt sich nicht geben, aber die Lösung dürfte darin liegen, beide als gleichberechtigt anzusehen. Eventuell handelt es sich sogar nur um ein Schein-Problem, weil Bewegung und Ruhe untrennbar miteinander verbunden sind. Man kann sich hier verschiedener Bilder bedienen: die Nabe des Rades, die unbewegt ist, während sich das Rad dreht; der Ruhepol zwischen zwei Ausschlägen eines Pendels, der Wellengipfel zwischen dem Auf- und Abschwung der Wellen, oder auch, dass die Welt in einem ewigen Zyklus kreist: sie verändert sich dann einerseits ständig, andererseits durchläuft sie immer die gleiche Bahn, wie ein Karussell.

   Die Lösung geht also in Richtung der Polaritäts-Theorie. Ruhe und Bewegung sind danach zwei Pole, die sich zu einem Ganzen er-gänzen. Zumindest begrifflich ist Ruhe ohne Bewegung (und umgekehrt) gar nicht möglich, man könnte aber auch diskutieren, ob physikalisch eins auf das andere angewiesen ist.

 

 

3)  Dualismus von Materie und Geist (= Bewusstsein)

 

Hier ist mit „Geist“ überwiegend das gemeint, was in meinem Text sonst  Bewusstsein  (oder Psyche) genannt wird. Da dieser Dualismus aber begrifflich meistens als „Materie versus Geist“ gefasst wird, bleibe ich hier bei dieser Terminologie.                       

 

Der Dualismus besagt in einem ersten Schritt, dass sich die gesamte Wirklichkeit, alle Dimensionen auf die zwei Dimensionen Materie und Geist zurückführen lassen.

    Das genaue Verhältnis zwischen diesen beiden, zwischen Geist und Materie, kann aber in einem zweiten Schritt sehr unterschiedlich bestimmt werden und dies geschieht auch (wodurch der Dualismus zuweilen wieder aufgehoben wird).

   Betrachten wir die gängigsten Positionen in der Philosophie im Hinblick auf Materie  versus Geist, so lassen sich etwa folgende unterscheiden:     

 

·  Materialismus:      Materie  Geist  

·  Idealismus:          Geist   Materie

·  Unionismus:         Materie = Geist

·  Unitarismus:         Materie ← X → Geist

·  Interaktionismus: Materie ↔ Geist

 

 

·  Materialismus: Materie    Geist  

Die Materie schafft oder bestimmt den Geist, bzw. der Geist ist nur  Illusion.

Geist = Bewusstein ist nur eine Eigenschaft hochkomplexer Materie, nämlich

des Gehirns. Man kann Aussagen über den Geist letztlich in Aussagen über das Gehirn übersetzen. In einem gemäßigten Materialismus, wird Geist als eine emergente, höhere, neu auftretende Eigenschaft angesehen, jedenfalls kann es kein Bewusstsein ohne materiellen Träger geben.

 

·  Idealismus: Geist  →  Materie

Hier haben wir die umgekehrte Position, mit verschiedenen Varianten: Der Geist determiniert die Materie. Der Geist schafft die Materie. Die Materie ist  letztlich nur eine Illusion. Emphatisch spricht man vom „Sieg des Geistes über die Materie“.  

·  Unionismus: Materie = Geist

Materie und Geist  verhalten sich  wie zwei Seiten einer Münze. Sie treten immer zusammen auf, sind untrennbar miteinander verbunden, eine Zwei-Einheit, eine „Dual-Union“. Z. B. gilt der Geist als das dynamische Organisationsmuster eines materiellen Systems. Man spricht auch von Identitätstheorie.

·  Unitarismus:  Materie ← X  →  Geist

Es existiert ein einheitliches Prinzip X als Basis von Materie und Geist, z. B. ist Energie dieses Prinzip X. Es kann sich in materieller oder geistiger Form zeigen. Im Taoismus ist diese Einheit das Tao, in anderen Theorien z. B. die „eingefaltete Ordnung“.

·  Interaktionismus: Materie ↔ Geist

Es gibt eine Wechselwirkung zwischen Materie und Geist. Materie und Geist sind (gleichberechtigte) Partner, die miteinander interagieren. Pragmatisch gesehen ist diese Theorie erfolgreich, ein Problem dabei ist allerdings, wie man sich eine Wirkung vom Geist auf die Materie oder von der Materie auf den Geist vorstellen kann.

 

Welche dieser Theorien ist am besten untermauert? Das kann man heute noch nicht abschließend sagen. Es gibt für alle Theorien Pro- und Contra-Gründe. Ein Favorit könnte der Unionismus sein: Man geht zwar  von einer einheitlichen Wirklichkeit aus, aber reduziert nicht zwanghaft ein Prinzip auf das andere. Selbst wenn sich z. B. irgendwann einmal zeigen würde, dass man Aussagen über Bewusstsein in Aussagen über Prozesse im Gehirn (Materie) umwandeln könnte, behielte dennoch das Bewusstsein als besondere Dimension seine Berechtigung und Eigenständigkeit. Das passt auch am besten zu einer Polaritäts-Theorie, wonach  zwei Pole (Materie) und (Geist) im Gegensatz zueinander stehen, sich aber zu einer Ganzheit oder Einheit ergänzen. Ähnliches gilt für den verwandten Unitarismus.

 

Es gibt noch andere Theorien, z. B. den Parallelismus, nach dem Materie und Geist - bzw. Körper und Bewusstsein - zwar unabhängig voneinander sind, sich aber parallel verhalten und entwickeln, etwa im Sinne der Leibnizschen „prästabilisierten Harmonie“. Diese Theorien sind aber so unplausibel, dass man sie vernachlässigen kann.

   Nach meiner Auffassung gilt allerdings ohnehin, dass es nicht überzeugt, die gesamte Wirklichkeit nur auf die zwei Dimensionen Materie und Geist/Bewusstein zurückzuführen, gleichgültig, wie man genau das Verhältnis zwischen Geist und Materie bestimmt.

 

 

 

4)  Übergang zwischen Materie und Geist

 

Es gibt auch Theorien, dass es einen Übergang zwischen „grobstofflicher“ Materie (Stoff) und unstofflichem Geist gibt, nämlich den Bereich der Feinstofflichkeit. Es wird von einer Schwingung des Seins ausgegangen, wobei gilt: Je höher („feiner“) die Schwingung, desto geistiger.

 

Schwingung               Level                    Dualität          Seinsform

 

- hoch                         stofflich                geistig             Bewusstsein

- mittel                        feinstofflich                                  „Astralkörper“ u.ä.

- niedrig                      grobstofflich         materiell          Materie

 

Eine ähnliche Theorie geht von dem Grad der Dichte aus. Danach gilt: Materie ist verdichteter Geist. Oder Geist ist verdünnte Materie.

   Das lässt sich weiter differenzieren. So sind beliebig viele Stufen zu unterscheiden, von grobmateriell über immer feinstofflicher bis zu völlig immateriell.

   Grundsätzlich ist diesem Modell vorzuwerfen, dass es einseitig ist. Denn in der Physik werden bis heute zwei komplementäre Modelle gleichberechtigt verwendet: erstens das Teilchen-Modell (Materie) und zweitens das Wellen-Modell (Energie). Die Dinge lassen sich nicht nur als Energie-Wellen (kontinuierlich) auffassen, sondern ebenso als Materie-Teilchen (diskontinuierlich); übrigens muss sich Energie auch nicht als Welle darstellen, es gibt viele andere Formen.

   Besondere Schwierigkeiten bereitet aber die esoterische Vorstellung, je höher die Frequenz und damit auch die Energie einer Welle sei, desto mehr Geist beinhalte sie. Das würde z. B. bei den elektromagnetischen Wellen bedeuten, dass Röntgenstrahlen geistiger als Licht-Wellen sind, diese geistiger als Radar, der geistiger als Rundfunk-Wellen usw. Auch bei Gehirn-Wellen stoßen wir auf Schwierigkeiten: Denn gerade in der Meditation, wenn der Mensch doch mit hohen geistigen Ebenen Kontakt aufnimmt, sind seine Hirn-Wellen sehr langsam (Alpha- oder Theta-Wellen), während er bei Konzentration, Erregung usw. schnellere, „geistigere“ Hirnschwingungen (Beta-Wellen) aufweist.

   Generell sind diese Theorien, die vorwiegend aus der Esoterik stammen, problematisch, nicht wissenschaftlich abgesichert, wenn auch grundsätzlich der quantitative Ansatz einer Schwingungsfrequenz interessant ist.

 

 

5)  Dualismus und Monismus

 

Ich habe verschiedene Möglichkeiten des Dualismus (von Materie und Geist) aufgezählt. Bis auf den Interaktionismus sind aber alle anderen Positionen letztlich monistisch, allerdings im Sinne eines gemäßigten Monismus, denn Materie wie auch Geist sind selbst weiter zerlegbar. Das zeigt noch einmal die Bedeutung des Monismus. Es liegt hier jeweils nur im Ausgangspunkt ein Dualismus vor. Das sei im Einzelnen erläutert:

· Materialismus: Da Geist hier als abgeleitet oder sogar nur illusionär gilt, bleibt letztlich nur die Materie als einheitliches Prinzip übrig.

· Idealismus: Hier ist es umgekehrt, die Materie wird auf den Geist zurückgeführt, so bleibt nur der Geist als selbstständiges Prinzip.

· Unionismus: Wenn Materie und Geist sich wie zwei Seiten einer Münze verhalten, so kann man jedenfalls die Münze, wie immer man sie auffasst, als zugrundeliegende Einheit auffassen, z. B. als geistig-materielles Geflecht.

· Unitarismus: Beim Unitarismus ist das noch deutlicher:

Materie ← X → Geist. Wenn ein einheitliches Prinzip X als Basis von Materie und Geist existiert, z. B. Energie, dann ist Energie eben die Einheit. Wiederum läuft das auf einen Monismus hinaus.

   

Auch die Schwingungstheorie überschreitet den Dualismus. Man könnte sie zunächst für pluralistisch halten, da sie viele, ggf. unendliche viele Schwingungsebenen unterscheidet. Im Grunde argumentieren solche Theorien aber wieder monistisch: Es gibt fundamental nur ein Etwas, häufig Energie oder Schwingung genannt. Und je nach Schwingungsgrad äußert es sich als Materie, Bewusstsein oder in einem Zwischenzustand.

  Wenn man dagegen 5  Prinzipien annimmt, die selbstständig sind, wenn auch nicht völlig unabhängig voneinander, kommt man gar nicht in diesen Sog des Monismus. Ich gehe wie gesagt von 5 Dimensionen aus, die ich nicht auf weniger reduziere. Das ist allerdings kein Dogma. Wie schon ausgeführt, gäbe es auch Argumente, weniger oder vielleicht mehr Dimensionen anzusetzen.


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(1) ÄLTER  WERDEN -  

DIE CHANCE ZUR SELBST-INTEGRATION (2001) 

 

 

Wir kennen verschiedene Formen von Prozessen: vor allem Zyklen, lineare Entwicklungen, noch-lineare bis zu chaotischen Prozessen. Was ist das Älter werden für ein Prozess?

 

Ein Zyklus wird sehr schön im bekannten Yin-Yang-Symbol oder auch durch einen Kreis dargestellt. Von einem Anfang aus vollzieht sich eine Bewegung, die schließlich zum Anfang zurückführt, wobei diese Bewegung ganz unterschiedlich verlaufen kann.

 

Offensichtlich ist das Älterwerden aber kein Zyklus. Zwar heißt es manchmal, dass sehr alte Menschen wieder wie Kinder werden; doch dies gilt allenfalls für manche Eigenschaften wie erhöhte Krankheitsanfälligkeit, insgesamt ist der Unterschied zwischen Kindheit und Alter unübersehbar. Sicherlich gibt es auch  zyklische Modelle des gesamten Lebens: von Geburt, Altern und Tod bis zur Wiedergeburt in ein neues Leben (übrigens gibt es auch zyklische Modelle des gesamten Universums). Aber all dieses trifft nicht wirklich das, was wir uns unter Älterwerden vorstellen.

 

Man könnte beim Älterwerden stattdessen an eine lineare Entwicklung denken, im Symbol die (gerade) Linie oder der Pfeil, entsprechend der linearen Zeit. Geht der Pfeil schräg nach unten, oder aber nach oben? Denn – zunächst wächst der Mensch ja heran, er entwickelt erst seine Fähigkeiten und Kräfte, bis dann irgendwann das Altern beginnt und die Kräfte wieder nachlassen, ohne dass man genau zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Insofern passt vielmehr das Bild einer Kurve, z. B. eine Glockenkurve.

 

Doch wo ist der Umkehrpunkt vom Wachstum zum Altern? Wann beginnt das Altern?  Etwa mit 20 Jahren, sobald man ausgewachsen ist? Oder erreicht mancher erst mit 50 oder 60 seine „besten Jahre“ ? Und befinden wir uns für die längste Zeit unseres Lebens auf dem Hochplateau? Ist die Kurve also eine Art Halbkreis? Andererseits heißt es oft auch, das Altern beginnt schon bei der Geburt. Können Wachstum und Altern vielleicht sogar parallel laufen? Dies alles ist bis heute nicht wirklich geklärt.

 

Aber lassen wir das Wachstum zunächst beiseite, beschränken wir uns auf den Alterungsprozess, auch wenn wir nicht genau sagen können, wann er beginnt. Hier scheint wiederum zunächst das Modell einer linearen Entwicklung  am passendsten. Denn entgegen allen Behauptungen von Fitness- bis Kosmetikanbietern sagt die offizielle Medizin noch immer, dass es keine echte Verjüngung gibt, dass eine Umkehrung des Alterns nicht möglich ist.  

 

Zwar gibt es Regenerations- bzw. Reparationsprozesse, und es bilden sich immer wieder neue Zellen. Auch kennen wir alle natürlich, dass man sich zu einem bestimmten Zeitpunkt (vielleicht bei einer Krankheit) wenig leistungsfähig fühlt und zu einem späteren Zeitpunkt, also älter, wieder viel fitter ist. Aber dieses alles lässt sich nicht als Verjüngung im Sinne einer Zeitumkehr auffassen. Das Altern scheint (bis heute) ein irreversibles Geschehen zu sein. Und insofern offensichtlich mit dem Älterwerden die Kräfte eher abnehmen, müssten wir die Linie also nach unten  zeichnen.

 

Oder doch nach oben? Wirkommen nicht umhin, hier zwischen dem körperlichen und seelischen Prozess zu unterscheiden, auch wenn sie natürlich zusammengehören. Denn das Älterwerden bedeutet körperlich ab einer gewissen Stufe insgesamt ein Nachlassen von Kräften und manchen Fähigkeiten, wie z. B. der Seh- oder Hörschärfe, auch wenn sich das ganz allmählich vollziehen kann. Seelisch-geistig lässt sich aber keineswegs pauschal ein Rückgang behaupten, eher noch das Gegenteil.

 

Betrachten wir zunächst den körperlichen Aspekt. Bis heute konkurrieren in der Alternsforschung zwei Grundrichtungen. Die eine geht von einem programmierten Altern aus, das  in den Zellen bzw. in den Genen so festgelegt ist. Für die andere Richtung ist Altern dagegen  eine Art Abnutzungsprozess, der  von äußeren Einflüssen abhängig ist und dadurch sehr wohl durch die Lebensweise beeinflusst werden kann.  

 

Die Wahrheit dürfte wie so oft auch hier in der Mitte liegen: Es gibt ein genetisches Alterungsprogramm, aber dieses verläuft nicht völlig determiniert, sondern abhängig von Umweltfaktoren. So können  große Belastungen, insbesondere eine Strahlenexposition, das Altern sehr beschleunigen; dagegen verläuft es in einer Phase des Wohlbefindens und der Erholung langsamer. Damit zeigt sich, wir dürfen uns diesen Prozess des körperlichen Alterns doch nicht streng linear vorstellen. Die passende Zeichnung wäre nicht eine gerade Linie, sondern eher eine unregelmäßige, mit Ecken, Spitzen und Rundungen. Allerdings bleibt die Richtung wohl immer gleich – abwärts.

 

Die Frage ist, ob man beim Körper-Altern sogar von einem chaotischen Prozess sprechen könnte. Damit meint man, dass kleinste Veränderungen zu sehr großen Schwankungen führen, die eine eindeutige quantitative Erfassung nicht zulassen. Man spricht auch vom deterministischen Chaos, weil die Prozesse nicht indeterministisch-statistisch verlaufen, sich aber dennoch einer klaren Berechnung widersetzen.  

 

Dies trifft aber für das körperliche Altern letztlich nicht zu, es verläuft überwiegend nach berechenbaren Regeln.  In Ausnahmefällen kann allerdings ein singuläres zufälliges Ereignis das Altern stark beeinflussen, insbesondere eine Mutation, die sich sehr negativ auswirkt. Hier spielen dann auch stochastische Prinzipien eine Rolle, denn wenn ein Körper z. B. mutagenen ionisierenden Strahlen (wie Röntgen-Strahlen) ausgesetzt ist, können wir nur Wahrscheinlichkeiten angeben, dass eine Mutation stattfindet.

 

Im Körperlichen gibt es keine fortlaufende Entwicklung, irgendwann kippt das Wachstum um ins Altern. Im Geistigen wie Seelischen ist aber eine ungebrochene Entwicklung möglich, dass man von Kindheit an mit zunehmendem Alter seine geistigen Kenntnisse und Fähigkeiten immer weiter ausbaut. Und entsprechend kann man seine Gefühlskultur, seine Sensitivität, die sogenannte emotionale Intelligenz permanent steigern, so dass man erst im höheren oder hohen Alter einen Zustand der Weisheit, der Selbsterkenntnis oder auch der spirituellen Erleuchtung erreicht. Insofern bietet das Älterwerden die Möglichkeit einer Persönlichkeitsreifung, die in jüngeren Jahren kaum denkbar ist.

 

Hier besteht also ein gravierender Unterschied zum körperlichen Prozess. Sicher gibt es manche kognitive Funktionen, wie das Gedächtnis, die mit höherem Alter normalerweise nachlassen, entsprechend den körperlichen Veränderungen im Gehirn.  Aber insgesamt behauptet der Geist offensichtlich – allen psycho-physischen Abhängigkeiten zum Trotz – doch eine imponierende Emanzipation von Gehirn und Körper. Die wesentlichsten geistigen und gefühlshaften Leistungen und Kompetenzen lassen sich im Grunde lebenslang erhöhen.  

 

Insofern wäre hier als Symbol die Linie nach oben anzugeben, allerdings keine gerade Linie. Zwar mag man sich den reinen Wissenserwerb als lineare Funktion vorstellen, je mehr ich lese, desto mehr weiß ich. Aber die Ausbildung von Lebensklugheit und Lebenskunst verläuft sicher non-linear, noch krasser mit Brüchen, Umwegen oder im Zickzack als körperliches Wachstum oder Altern.

 

Auch lassen sich bei der geistig-seelischen Entwicklung vermehrt chaotische Elemente finden. Manchmal ist es nur ein Satz, eine Wahrnehmung, ein Gedanke, der ein Aha-Erlebnis oder einen Geistesblitz auslöst, der unsbeflügelt. Manchmal ist es nur ein kleines Erlebnis, das uns zu einem Entwicklungssprung verhilft. Und dieser Sprung mag auf eine neue Ebene führen, die sich auch qualitativ von der Absprungebene unterscheidet.

 

Allerdings muss man zugeben, dass nicht  alle Menschen sich fortwährend geistig-seelisch weiterentwickeln. Zwar gibt es gewisse kognitiv-emotionale Reifungsstufen, die ein gesunder Mensch biologisch geprägt durchläuft, Stufen,wie sie von der Entwicklungspsychologie beschrieben werden. Aber ob und wieweit der Mensch sich nach Abschluss dieses biologischen Intelligenzprogramms noch seelisch und geistig weiter entfaltet, das bleibt von der Umwelt abhängig, wird aber auch von seinem eigenen Willen und Wollen bestimmt. Es gibt viele Menschen, die bleiben emotional ihr Leben lang im Grunde Kinder; dabei spielen allerdings auch psychische Störungen eine Rolle, welche die Gefühlsentwicklung stoppen.

 

Normalerweise ist diese psychische Wachstumsblockade also ein Manko, aber manchmal kann die Weigerung, erwachsen zu werden, auch konstruktive Züge aufweisen, wenn nämlich die Erwachsenen, insbesondere die Eltern,  sich nicht durch Reife, sondern nur durch negative Eigenschaften wie Egoismus, Ignoranz, Gefühlsverleugnung und Fassadenhaftigkeit  „auszeichnen“, was den jungen Menschen zurecht abschreckt. Aber auch im Geistigen entwickeln sich viele Menschen nicht weiter, sondern beginnen vielmehr schon in den mittleren Lebensjahren abzubauen. Aber dies ist kein Muss, man muss seelisch und geistig nicht altern.

 

Dies ist also anders als im körperlichen Bereich, dort ist das Wachsen sehr weitgehend  und auch das Altern  entscheidend biologisch geprägt, niemand kann sich ihm bis heute entziehen. Wirklich? Es gibt die Gruppe der Immortalisten, die behauptet, das körperliche Altern sei nur eine kollektive Suggestion. Wir würden alle altern, weil wir überzeugt wären, uns gegenseitig eingeredet hätten, dass dies so sein müsste.

 

Wer sich von dieser selbst erfüllenden Alterns-Prophezeiung befreien würde, der sei auch vom Altern befreit. Und man kennt andererseits den kleinen Oskar aus der „Blechtrommel“, der sich erfolgreich weigerte zu wachsen. Entsprechend gibt es in der Psychotherapie spekulative Theorien, wonach seelische Wachstumsblockaden auch das körperliche Wachstum hindern könnten. Aber Beweise stehen hierfür aus, das eine ist Ideologie oder Spekulation, das andere ist Literatur.

 

Doch was ist das Hauptziel der geistig-seelischen Entwicklung? Sicher lässt sich darüber trefflich streiten. Aber viele Antworten beziehen sich auf das Selbst. „Erkenne Dich selbst“, so lautete bereits die Aufforderung der klassischen Philosophie. Nun gibt es viele Begriffsbildungen mit „Selbst“ wie Selbsterfahrung, Selbstfindung, Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung oder Selbstentfaltung, die scheinbar alle dasselbe meinen, bei genauerem Hinsehen aber doch auf ganz unterschiedlicheProzesse verweisen.

 

Ich möchte hier vereinfachend drei Modelle unterscheiden:

 

-        Selbstentfaltung: Das heißt ganz wörtlich: Das Selbst, was vorher eingefaltet war, muss ausgefaltet, nämlich entfaltet werden.(Ähnliches besagt der Begriff de “Ent-Wicklung“, wenn man ihn ganz wörtlich versteht.) So gesehen, ist das Ziel, das eigene Selbst, bereits fertig, und liegt in uns. Wir müssen es nur freilegen. Hier passt die Aussage „Alles,was du brauchst, ist in dir“ bzw. die Aufforderung: „Werde, der du bist!“ Im Grunde ein Determinismus, der am ehesten eine platonistische oder spiritualistische Deutung nahe legt.

 

-        Selbstverwirklichung: Auch hier wird ein fertiges Selbst angenommen, das sich aber in die Wirklichkeit einbringen muss, um sich auszudrücken, um sich zu beweisen. Das Selbst ist sich nicht allein genug Das Selbst muss seine Potentiale freisetzen und umsetzen. Programm: „Das Selbst zeigt sich in seinen Taten und Wirkungen.“ Auch hier schwingt ein Determinismus mit, etwa im Sinne der Genetik, der angeborenen Potentiale. Aber es wäre auch ein von außen vorgegebenes Ziel denkbar, eine Bestimmung desSelbst, die es erfüllen  oder verfehlen kann. Im Extrem auch ein Schicksal, das aber nicht vollständig determiniert, sondern uns Gestaltungsmöglichkeiten lässt, zumindest die, das Geschick - vielleicht heroisch - zu ergreifen oder gegen es - vielleicht tragisch - anzukämpfen.

 

-        Selbstbestimmung: Hier ist das Selbst noch nicht vollendet, sondern es unsere Aufgabe, es zu entwerfen, es aufzubauen, im Extrem das Selbst zu schaffen, natürlich ausgehend von einer vorgegeben Selbstbasis. „Man ist der, zu dem man sich macht.“  Bei diesem Ansatz ist Ziel also nicht festgelegt, Ende offen. Es geht um einen Lern- und Reifeprozess, während dessen sich unser Selbstideal durchaus verändern kann.

 

Aber was ist das Selbst überhaupt? Hier sind vermutlich noch mehr verschiedene Antworten möglich. Recht prägnant ist die Differenzierung von Ken Wilber zwischen dem:

·     präpersonalen Selbst (vor allem die Gefühls- und Körperseite)

·     personalen Selbst ( dem rationalen Ich entsprechend)

·     transpersonalen Selbst (welches die individuelle Persönlichkeit

      überschreitet).

 

Dabei versteht es Ken Wilber so, dass wir uns vom präpersonalen über das personale zum transpersonalen Selbst entwickeln (sollen), wobei das jeweils frühere Selbst nicht völlig abgelegt, sondern integriert wird.

 

Allerdings haben alle drei Selbst  ihre besonderen Anhänger.

Die Romantiker sehen im gefühlshaften, spontanen, natürlichen, also präpersonalen Selbst die höchste Stufe, von der wir uns aber entfernt und entfremdet haben.  „Zurück zur Natur“ wäre also die altbekannte Devise.

Die Rationalisten verstehen das personale Selbst als das eigentliche Ziel, die ich-starke, vernünftige, beherrschte Persönlichkeit als die höchste Entwicklungsform.

 

Die Spiritualisten sehen eben im transpersonalen Selbst, im höheren Selbst oder Über-Selbst unser primäres Ziel. Dieses Selbst bzw. der Prozess der Selbstwerdung wird allerdings im einzelnen sehr unterschiedlichen beschrieben: als Verschmelzung mit dem Göttlichen, als kosmisches Bewusstsein, als Zeugenhaltung, als Synthese von Yin und Yang u.v.m.

 

Der Autor wird sich hüten, diese Frage nach dem höchsten Selbst, dem Selbst aller Selbst, allgemeingültig beantworten zu wollen. Allerdings liegt wohl in der  Vorstellung der Integration dieser drei Selbst für uns heutige vielleicht die größte Faszination: Wertschätzung unserer Gefühle und Körperlichkeit, Ausbildung von kognitiver Kompetenz sowie von Ich- und Willensstärke, aber eben auch die transpersonale, transpolare, transrationale und transverbale Überschreitung, das bewusste Aufgehen in einem höheren Ganzen, und sei es auch „nur“ für ausgesuchte Momente.

 

Zurück zum Ausgangspunkt, dem Älterwerden. Kaum einen dürfte es vergönnt sein, schon in jungen Jahren diese gewaltige Integrationsleistung zu vollbringen, die Verbindung von präpersonalem,personalem und transpersonalem Selbst zu vollziehen. Erst im gereiften Alter hat der Mensch die nötige Lebenserfahrung gewonnen, genügend freudvolle wie leidvolle Erfahrungen gemacht, viele Bindungen und Trennungen durchlebt, seine Position zwischen Annehmen und Kämpfen bestimmt. Erst jetzt hat er das notwendige Wissen angesammelt, verschiedene Weltanschauungen verglichen, fundierte kognitive Strategien zur Lebensbewältigung aufgebaut.

 

Und auch erst im gereiften Alter hat der Mensch normalerweise, abseits einer naiven Spiritualität, seine Position zu den wesentlichen Fragen von Gott und Welt, Diesseits und Jenseits geklärt oder doch jedenfalls diese Fragen ernsthaft gestellt. Das ist die große, besondere, einmalige Chance des Älterwerdens.

 

Aber haben wir wirklich die Freiheit, uns für eine solche Selbstwerdung zu entscheiden? Oder sind wir nur das Produkt der Wechselwirkung von Anlage und Umwelt? Wo ist der Platz des souveränen Selbst oder Ich? Warum gelingt dem einem die „Selbstgeburt“, dem anderen nicht? Ist es vielleicht auch eine Gnade, die einem zufällt? Genau können wir das nicht wissen.

 

Man vermeide jedenfalls den allzu platten, aber heute populären Narzissmus bzw. Konstruktivismus,  nach dem gilt „Jeder ist seines Glückes Schmied“ oder „Meine Welt ist nur ein Spiegel meines Selbst.“  Die Welt, die wir erleben, ist immer ein Interaktion von Subjekt und Objekt, von psycho-physischen System und Umwelt, von Mensch und Mitmensch. Dabei wirken multi-kausale und rückwirkende bzw. selbstbezügliche Faktoren zusammen, so dass ein monokausales Postulat wie „Ich bestimme mein Leben vollständig selbst“ nur lächerlich wirkt. Schon die oben aufgewiesen non-linearen und chaotischen Elemente sollten uns warnen vor der Allmachtsvorstellung, wir allein wären die Herren oder Götter unserer Seele.

 

Aber ebenso falsch wäre, sich nun in einer Opfer-Haltung der vollständigen Machtlosigkeit hinzugeben. Schon pragmatisch gesehen ist es sicher nützlicher, daran zu glauben, dass ich meine Entwicklung jedenfalls teilweise selbst wählen und entscheiden kann. Vielleicht wird auch hier eine sich selbst erfüllende Prophezeiung wirksam: Wenn ich an meinen Einfluss glaube und danach handele, dann verfüge ich auch eher über diesen Einfluss. Und umgekehrt, wer nicht an seine Chance glaubt, der ergreift sie auch nicht.

 

Älterwerden – wir können es also nicht vollständig steuern. Aber es liegt großteils in unserer Macht, dass unser Altern nicht zu einer psychisch-geistigen Rückentwicklung, sondern vielmehr zu Weiterentwicklung, zu einem kognitiv-emotional-spirituellem Wachstum führt. Das ist die Chance des Älterwerdens.

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